Praktikant im Katastrophen-Zentrum

28 Mai 2007

Sonnenscheinjalousienkanon

Das Vorwort:

Das Katastrophen-Zentrum ist in einem sogenannten "intelligenten
Gebäude
" beheimatet. Gebäudeautomation spielt eine große Rolle,
ebenso wie deren Einrichtung, Wartung und Ausstattung.
Die Jalousien einer Gebäudeseite z.B. fahren automatisch herunter
wenn die Sonne zu einem bestimmten Maß auf einen Sensor
scheint, bei starkem Wind (14 m/s) fahren sie hoch um Schäden zu
vermeiden. Wenn die Jalousien in Fahrt sind entsteht aufgrund der
Reibung zwischen Lamellenhalterung und Führungschiene ein Ge-
räusch
, das in Form eines frequenten Quietschens (alle 0.8s
2512,73Hz bis 2768,94Hz für je 0.2s 57dB) ins Ohr dringt.

Die Lichtversorgung ist über Funktaster mit, laut Hausmeister,
integrierten Piezo-Einheiten zur Stromerzeugung realisiert, d.h.
drückt man auf Licht-An schaltet ein Piezo-Element und erzeugt
einen kurzen Stromimpuls, welcher widerum die Funk-Einheit
innerhalb des Tasters dazu veranlaßt einen Funk-Impuls mit einer
bestimmten kodierten Frequenzmodulation an den Empfänger der
Licht-Steuerungseinheit zu senden, worauf die Licht-Steuerungs-
einheit die dann brummenden Neon-Röhren im Raum mit Strom
versorgt, sprich: Drückst Du, gehts Licht an. Allerdings scheinen
qualitativ minderwertige Taster verbaut worden zu sein, denn
wenn man ein eingeschaltetes Mobil-Telefon am Funktaster im
Administratorenbüro vorbei geführt wird, schaltet dieser und das
Licht erlischt oder geht an.

Der IST-Zustand:

Sonnig, 16°C, starker Wind (13 bis 16 m/s)

Der SOLL-Zustand:

Bewölkt, 16°C, leichter Wind (2 bis 3 m/s)

Die Protagonisten:

Herr Hörnch: Administrator und Kfz-Enthusiast, Handy-Benutzer
Herr Nutelf: Techniker in der Materialprüfung, Linux-Enthusiast
Herr Bagerle: Techniker, Kollege von Nutelf, möchte neuen PC
Herr Brut: Student bei Herrn Nutelf, Handy-Benutzer
Herr Kowalski: Empfangsmann, Kabel-Aufräum-Fetischist
Herr Hausmeister: Hausmeister, Wohnwagen-Eigentümer und
Handy-Benutzer
Der Franzose: Vergoldeter Sargnagel
Die Treppenhaustür: Defekt, der Versuch sie öffnen erzeugt Lärm
Die Durchdietürwoller: Diverse gereizte Mitarbeiter mit
anschließendem Nasenbluten
Ich: EDV-Pratikant, Bierheld, Peugeot-Fahrer, Katzen-Liebhaber,
Schattenparker und Warteschleifenmusikmitsummer.

Über die Auswirkungen einer "korrekt" eingerichteten, gewarteten
und ausgestatteten Gebäudeautomation in Verbindung mit einem
außergewöhnlich anstrengenden, ereignisreichen Tag und einer
defekten Treppenhaustür handelt folgender Kanon in Textform:

7:30.01 - Die Sonne erscheint am durch Baumgruppen zerzausten
Horizont. Telefon #1: "EDV?" "Meine Druucker geit nich." "Der
hat ja auch keine Füße." "Ha. Ha." "Komm gleich vorbei." "OK."
Grund für die unseelige Druckhinderung war Stromlosigkeit.
"Neeeiin, wer hat gemacht Druucker aus?! Muss doch laufe über
Woocheneende!" "Kein Kommentar." "Ich fragen Putzfrauu, viel-
leicht die weiß wer war." Drucker druckt.

7:34.12 – Die Sonne erhellt das Administratorenbüro mit voller
Breitseite. Herr Hörnch betritt das Büro mit dem Handy in der
Hand - brummiges Licht geht an.

7:35.42 – Ein gemeiner Sonnenstrahl trifft auf den Lichtsensor,
woraufhin die Jalousien quietschend herunterfahren.

7:36.23 – Herr Hörnch verläßt das Büro um Kaffeewasser zu holen
– brummiges Licht geht aus.

7:36.39 – Ein Durchdietürwoller versucht die Treppenhaustür zu
öffen: "RUMMS!", ohne Erfolg: "Aua, so ein Scheiss!"

7:36.57 – Eine Windböe (> 14 m/s) erfasst das Windgeschwindig-
keitsmessrädchen – die Jalousien fahren quietschend hoch.

7:37.13 – Herr Nutelf betritt zusammen mit Herrn Hörnch das un-
gesaugte Administratorenbüro mit einem Linuxmagazin unterm Arm
uns fragend: "Da ist ein sehr interessanter Artikel drin, könnts
euch ja mal kopieren wenn ihr wollt: 'Vista und die Mächte des
Wahnsinns'" - Brummiges Licht geht an.

7:37.24 – Herr Nutelf verläßt das Büro und versucht die Treppen-
haustür zu öffnen – ohne Erfolg: "Die ham bestimmt MS Software
benutzt um das zu planen!"

7:38.61 – Es riecht nach Kaffee - die Jalousien fahren herunter
und gleich wieder hoch.

7:39.46 – Die Herren Bagerle und Brut schreiten durch die Bürotür
– brummiges Licht erlischt.

7:39.50 – Herr Zweiflbub versucht die Treppenhaustür zu öffnen:
"RUMMS!", ohne Erfolg und ruft mit nasaler Stimme: "AUA, gibts
doch nicht. HALLO?" "Sie müssen außenrum, die Tür ist defekt!"
antwortet Herr Hausmeister. "SCHEISSE!"

7:40.18 – Die Herren Bagerle und Brut berichten ihr Anliegen.
Bagerle: "Ich brauch nen neuen Rechner." Brut: "Aber was
schnelleres." Ich: "Hat die Geschäftsleitung das genehmigt?"
Telefon: "Moment bitte - EDV?" "Jaa Kowalski nochmaal, kannst
Du ruunterkommen, is wegen Kaablbaum hier an Tisch bei mir."
"Ok, in fünf Minuten." "OK." Bagerle: "Ähm, nein?" Ich: "Ohne
Genehmigung keine neuen Anschaffungen." Brut: "Ja aber ..."

7:41.04 – Die Jalousien fahren herunter. "Nix aber, redet mit
eurem Chef. Ein neuer anständiger Office-PC kostet um die 450€
ohne Monitor." "Ok ... aber könnten Sie ihn fragen?" "..."

7:41.47 – Brummiges Licht geht an und die Jalousien fahren
wieder hoch.

7:41.53 – Ein Durchdietürwoller versucht sein Glück: "RUMMS!"
und ruscht auf dem von seinen Vorgängern vergossenen Blut aus:
"RUMMS!" "SCHEISSE!"

Seit 7:42.07 – Jalousien rauf runter, Durchdietürwoller, Telefon-
klingeln, brummiges Licht an aus, wechselnder Besuch, Kabel-
Aufräum-Fetisch, tropfende Geräusche fließenden Blutes und
Durcheinandergerede im gleichzeitigen Wechsel. Und schließlich:
Der Franzose mit der im süffisant-feinsten französischen Akzent
ausgesprochenen Frage "Wann machsumir de neue Nots-Client
drauf Cherrie?"

Ein Lichtsensor, ein Windrädchen und ein blutbeflecktes Türschloß
baumeln seit neustem an der Anhängerkupplung eines Renault
Scènic mit überwiegend gelb-schwarzem Hecknummernschild.